Alfa Romeo Junior: Herzensbrecher mit doppeltem Namen

Alfa Romeo Junior: Herzensbrecher mit doppeltem Namen
Der kleine Crossover betört mit einem aufregendem Design – und weckt zumindest als Top-Stromer Veloce markentypische Emotionen.
Optik
Der Elektro-Crossover sieht gut aus, trägt stolz das «Scudetto» auf der Front und ist mit dem markanten Tagfahrlicht klar als Alfa Romeo zu erkennen. Die optische Eigenständigkeit ist geglückt.
Antrieb
Mit dem Elektroantrieb mit bis zu 280 PS und einer Benzin-Hybridvariante ist für jeden etwas dabei.
Preis
45’990 Franken kostet die Topversion. Das ist viel Geld für ein so kleines Auto. Günstiger ist der Basis-Stromer ab 37’990 Franken, die Mildhybrid-Variante startet bereits bei 31’490 Franken.
Es hat 114 Jahre gedauert, bis Alfa Romeo endlich ein Auto nach seiner Heimatstadt Mailand benannte. Doch nur wenige Tage nach der pompösen Weltpremiere In der Modemetropole war alles wieder anders. Denn anders als die Markenfans, die dem neuen Modell per Online-Voting den Namen Milano verpasst haben, fand die italienische Regierung keinen Gefallen daran. Da an diesem Modell ausser dem Namen rein gar nichts italienisches zu finden ist, haben die Behörden der Traditionsmarke die Verwendung des Namens Milano verboten. Schliesslich steckt unter dem wohlgeformten Blechkleid des kleinen Crossovers Technik aus dem Stellantis-Konzern, vom Band läuft er in Polen.
Alfa Romeo reagierte prompt und nannte das Modell in Junior um – das war in der Fan-Befragung der zweitbeliebteste Namen und hat ebenfalls eine Verbindung zur Marke, schliesslich trug bereits die Giulia GT, die zwischen 1963 und 1975 gebaut wurde, teilweise die Zusatzbezeichnung Junior am Heck. Das Hickhack mit dem Namenswechsel nahmen die Italiener sportlich: «Wir sind uns vollkommen bewusst, dass dieser Moment in die Geschichte der Marke eingehen wird», meinte der damalige Markenchef Jean-Philippe Imparato. Einen kleinen Seitenhieb an die italienische Regierung konnte sich Alfa Romeo dann aber doch nicht verkneifen: Man bedanke sich und bei der Regierung «für die kostenlose Werbung, die durch diese Debatte ausgelöst wurde».
Eigenständigkeit bewahrt
Ob es sich bei der ganzen Aktion nun um einen gerissenen PR-Stunt oder doch um italienische Bürokratie gehandelt hat: Das grosse Trara in den Medien hat dem neuen Modell sicher nicht geschadet. Nötig wäre das Theater aber sicher nicht gewesen, denn das neue Modell spricht durchaus für sich: Der Elektro-Crossover sieht gut aus, trägt stolz das «Scudetto» auf der Front und ist mit dem markanten Tagfahrlicht mit je drei LED-Streifen pro Seite klar als Alfa Romeo zu erkennen. Die optische Eigenständigkeit ist geglückt – und die ist als Spross des riesigen Stellantis-Konzerns mit seinen 14 Marken und diversen technisch eng verwandten Modellen wichtig.


Der Crossover hebt sich nicht nur aussen, sondern auch im Innenraum gestalterisch klar von den technisch eng verwandten Opel Mokka, Jeep Avenger und Co. ab. Das Cockpit setzt sich aus einem rund geschwungenen Infodisplay hinter dem Lenkrad und einem 10,25 Zoll grossen in der Mittelkonsole zusammen – der Touchscreen ist allerdings etwas altmodisch tief angeordnet, was eine sichere Bedienung während der Fahrt erschwert. Darunter gibt es eine Reihe an Knöpfen für Heizung und Klimaanlage, am Lenkrad sind ebenfalls praktische, gut bedienbare Tasten für wichtige Funktionen während der Fahrt. Ausserdem steht ein Sprachassistent zur Verfügung, der mit «Hey Alfa» aktiviert wird und der die künstliche Intelligenz von ChatGPT einbindet.
Das Platzangebot im Alfa Junior ist in etwa so, wie man es von einem nur 4,17 Meter langen Auto erwarten kann: vorne völlig ausreichend, hinten etwas beengter. Der Kofferraum ist mit einem Fassungsvermögen von 400 bis 1280 Liter mit umgeklapper Rückbank verhältnismässig grosszügig. Einen echten «Frunk», also ein zusätzlicher Laderaum unter der Fronthaube, hat der elektrische Junior nicht, aber immerhin ein kleines Fach, in dem sich das Ladekabel verstauen lässt.
Pulsbeschleuniger
Wie seine Konzern-Cousins ist der Junior mit Elektroantrieb in zwei Varianten sowie auch als 48-Volt-Mildhybrid mit 1,2-Liter-Benziner erhältlich. Der sportlichen Marke Alfa Romeo Ehre macht aber einzig der Top-Stromer namens Veloce, der zur Probefahrt antrat. Und diese Version ist besonders interessant: Während das Einstiegsmodell mit 115 kW/156 PS mit gemächlicher Beschleunigung und uninspirierter Fahrwerksabstimmung kaum Emotionen weckt, lässt der Veloce den Puls nach oben schnellen, wie man das von einem echten Alfa Romeo erwarten kann. Schliesslich haben die Italiener den Elektroantrieb auf eine Leistung von 207 kW/280 PS und ein Drehmoment von 345 Nm gepusht, der so mit dem Leergewicht von weniger als 1,6 Tonnen leichtes Spiel hat.
Der spritzige Antrieb, vor allem aber das Fahrwerk mit einem mechanischen Sperrdifferential an der Antriebsachse vorne macht den Veloce tatsächlich zur Fahrmaschine der Extraklasse. Das hat aber seinen Preis – und zwar doppelt: Statt der 410 Kilometer Normreichweite des Basis-Stromers holt der Veloce nach WLTP nur 322 Kilometer aus dem 54-kWh-Akku, in der Realität sind es noch weniger. Und auch im Portemonnaie hinterlässt der Veloce deutlich seine Spuren: 45’990 Franken ist viel Geld für ein so kleines Auto. Zumal im Innenraum nicht etwa Premium-Materialien, sondern an vielen Stellen profanes Hartplastik verbaut ist. Günstiger ist der Basis-Stromer ab 37’990 Franken, die Mildhybrid-Variante startet bereits bei 31’490 Franken.
Die Marke ist noch immer sehr begehrt
Seit 125 Jahre ist die Marke Alfa Romeo ein gewichtiger Name in der Branche. Für die unzähligen Alfisti, wie sich die Markenfans liebevoll nennen, ist Alfa Romeo unvergleichbar und unsterblich – obwohl die Italiener inzwischen nur noch eine von 14 Marken im riesigen Stellantis-Konzern mit seiner gnadenlosen Gleichteilestrategie sind. Dennoch löst der Markenname auch in der Schweiz weiterhin Emotionen aus: Bei den «Best Cars Awards» im vergangenen Februar wählten die Leserinnen und Leser des Schweizer Fachmagazins «Auto Illustrierte» ihre Lieblinge – und da schnitt Alfa Romeo einmal mehr glänzend ab. Die Modelle Giulia, Stelvio und Junior wurden in ihrer jeweiligen Klasse zum Sieger erkoren, und auch der Preis in der Kategorie «Aussehen/Styling» ging an die italienische Traditionsmarke.
Text: Dave Schneider, Fotos: Alfa Romeo




